„Und warum Mazedonien?“ war die häufigste Frage, die mir vor und nach meiner Reise gestellt wurde. Dabei gab es dafür gar keinen wirklichen Grund. Es war viel mehr einfach nur Zufall: Ich fand eine günstige, mir unbekannte Fluggesellschaft, bei dieser gab es von Basel aus eine Handvoll Destinationen, ich entschied mich des Namens wegen für Ohrid, Mazedonien und buchte. So einfach. Was mich in Ohrid erwarten würde? Keine Ahnung. Was ich über den Ort gehört hatte? Nichts. Perfekte Voraussetzungen also für eine gute Reise.
Als ich an einem frühen Novemberabend meinen ersten Schritt auf das Land der Sonne setze, herrscht bereits komplette Finsternis. Auch mit meiner Reiseplanung tappte ich noch im Dunklen. Eine kurze Recherche vor Abflug ergab folgendes zu Ohrid: Heimat der berühmten Ohridperle, mittelalterlicher Stadtkern, viele Kirchen, UNESCO Weltkulturerbe, gelegen am Ohridsee, einem der ältesten Seen der Welt und Fischgrund für die Ohridforelle.
Von all dem lässt sich bei meiner Ankunft jedoch nichts blicken. Auf der vom Regen glänzenden, leeren Einkaufsstraße reflektieren sich die bunten Schaufenster. Ein heller Altar erleuchtet den Hauptplatz der Stadt. Ein parr Schritte weiter kann ich die Größe des Sees in der Dunkelheit nur erahnen. Vom Wind gepeitschte Wellen schlagen an die Kaimauer, händchenhaltende Paare weichen kreischend dem aufspritzenden Wasser aus. Die andere Seite des Sees versinkt in tiefem Schwarz.
Die letzten Sommertouristen hatten im September ihre Koffer gepackt. Jetzt liegt der Ort verlassen da, die großen Ausflugsschiffe ankern am Pier und schaukeln mit den Wellen, die Mazedonische Flagge auf dem Platz am Hafen flattert im Südwind. An der Seepromenade versucht ein einsamer Seemann die wenigen Urlauber zu einer Rundfahrt auf seinem Kutter zu animieren. Wenn Zoran nicht gerade in den Niederlanden sein Geld als Kapitän für einen Russischen Millionär verdient, fährt er Reisende auf seinem blau weißen Boot über den Ohridsee. Bei diesem starken Wind und den wenigen Touristen stehen die Chancen allerdings schlecht. Bei einer Tasse Tee aus Kräutern von den Mazedonischen Bergen und einem Rakija (einheimischer Schnaps) erzählt er mir mehr über den Ort, den See und die Forellen.
Die Ohridforelle steht in Mazedonien unter Schutz: Die Regierung limitiert den Forellenfang im Ohridsee stark, um der Überfischung entgegenzuwirken. Nur noch wenigen Fischreibetrieben ist es überhaupt gestattet auf den See zu fahren und dort zu fischen. Mit Zoran besuche ich das Hybridbiologische Institut am Ende der Seepromenade im Stadtviertel Biljanini Izvori (die weißen Quellen). Zusammen mit dem Marinebiologie Institut Köln forschen sie über den Ohridsee; seine Tiefe, sein Alter, seine Artenvielfalt. Hier wird auch die Ohridforelle gezüchtet, einige Jungfische werden jedes Jahr zurück in den See gesetzt. Von oben herab schaue ich auf die flinken Forellen, die sich in den mit Gittern bedeckten Fischbecken tummeln.
Auf die Frage, wo ich den besten Fisch essen kann, antwortet Zoran ich müsse nach Kaneo zu Gabriela gehen. Sie bereitet den Fisch traditionell zu, den ihr Mann jeden Morgen frisch aus dem See angelt. Laut Zoran für eine Nichteinheimische jedoch kaum zu finden. Mal sehen, ob ich mich bis zu ihr durchfragen kann.